Eistauchkurs: 22. 23. Februar 1997
Endlich war es soweit. Trotz Tauwetter fand der Eistauchkurs statt.
Ursprünglich war der Neufeldersee dafür vorgesehen. Nun wir haben ja alle die Wärme mitbekommen, die das Eis komplett wegschmelzen ließ.
So änderten wir daher kurzfristig die Location zum Erlaufsee.
Wir waren 6 Taucher:
Joachim und Volker die beiden Tauchlehrer und
Michael, Harald, Fidelio, und Karl (ich) die 4 begeisterten Schüler.
Am Donnerstag Abends, trafen wir uns zuerst zum Theorieunterricht in der Tauchschule. Joachim erklärte uns die Vorgangsweise beim Eistauchen. Dabei erfuhren wir, daß der Aufwand beachtlich ist, um mit geringstem Risiko zu tauchen.
Meine Angst als Einziger im Halbtrockenanzug zu frieren stellte sich dabei als unbegründet heraus. Michael wollte überhaupt nur mit einem 6mm Naßtauchanzug tauchen, Fidelio hatte so wie ich, einen Halbtrockenen. Nur Harald und die beiden Tauchlehrer tauchten trocken.
Am Samstag um 7.30 war Abfahrt. Für einen Langschläfer wie mich ein absoluter Horror. Nun da ich nicht mit dem eigenen Auto fahren wollte, hatte ich keine andere Wahl. So fuhren Joachim, Volker, Michael und ich gemeinsam zum Erlaufsee.
So gegen zehn Uhr standen wir voller Erwartung am Eis. Der See war mit einer vierzig Zentimeter dicken Eisschicht bedeckt. Die Gefahr einzubrechen konnten wir getrost ausschließen. Es gab nur einige kleine Probleme: Durch das Tauwetter war die Oberfläche ziemlich angetaut. Das heißt wir mußten in einem fünf Zentimeter hohem Schnee-Wasser Matsch herumwaten.
Beim Eistauchen werden zwei Löcher im Eis benötigt. Ein Einstiegsloch ca. zwei mal zwei Meter und ein Loch für den Rettungstaucher ca. ein mal ein Meter. Wir sollten testweise einmal mit der Axt probieren. Das war bei diesen Bedingungen allerdings sinnlos. Die ersten paar Zentimeter gingen ja noch, aber bei diesem Schneematsch war immer alles voll Wasser. Bei jedem Schlag mit der Axt spritzte das Wasser nach allen Seiten davon. Da ich nicht schon vor dem Tauchgang durchnäßt werden wollte, war das Thema Aufhacken schnell erledigt.
Gut, daß wir eine Kettensäge mit hatten.
Leider wollte Diese um keinen Preis anspringen :-((
So schnell gaben wir jedoch nicht auf. Michael hat Verwandte in der Gegend. Er setzte sich ins Auto und kam bald darauf mit einer anderen Kettensäge zurück.
Der Platz an dem wir unsere Tauchgänge starten wollten, war bereits von anderen Eistauchern benutzt worden. Das konnten wir an den Resten einer Sicherheitsabsperrung erkennen. Volker begann nun das große Loch aus dem Eis zu schneiden. Das begann recht mühsam, weil das Eis so dick war. Als Joachim über den Bereich des alten Loches ging, gab es plötzlich einen Krach und er fiel mit dem noch offenen Trockenanzug ins Wasser. Ebenso Volker, der noch seine normale Kleidung anhatte. Das war ein Schrecken. Glücklicherweise hatten wir beide innerhalb weniger Sekunden aus dem Loch gezogen und nichts war passiert.
Normalerweise verschließt man das Loch nach dem Tauchen wieder mit dem Stoppel der herausgeschnitten wurde. Das friert schnell zusammen und die Eisdecke wird dadurch nicht geschwächt. Das haben unsere Vorgänger jedoch nicht getan und so war das Eis an dieser Stelle nur wenige Zentimeter dick.
Immerhin brauchten wir nun nurmehr das Loch für den Rettungstaucher zu schneiden. Sicherheitshalber zogen wir nun alle unsere Zauchanzüge an. Trotz einiger Mühen war das zweite Loch auch bald fertig.
Inzwischen war auch Harald angekommen. Er hatte sich verfahren und deshalb verspätet.
Das Umkleiden am Straßenrand, im Schnee erfordert etwas Überwindung.
Der erste Tauchgang hatte nun den Zweck zu sehen wie es uns unter dem Eis geht. Es gingen immer nur ein Schüler mit einem Lehrer unter das Eis. Als erster war Harald an der Reihe, weil er mit dem Trockenanzug nachher nicht so frieren würde. Ich war Leinenmann und Fidelio Rettungstaucher. Der Leinenmann hat die Aufgabe den Kontakt mit den Tauchern unter dem Eis zu halten.
Wir vereinbarten folgende Leinen Kommandos:
Einmal ziehen = alles OK
Zweimal ziehen = Stop
Dreimal ziehen = Umkehren
Mehr als dreimal = Notfall
Der Rettungstaucher wartet mit voller Montur am Rettungsloch und ist mit einer längeren Leine Verbunden. Wenn es einen Notfall gäbe und die Taucher nicht herausgezogen werden können, so hat er die Aufgabe, ins Wasser zu springen und Hilfe zu leisten. Michael war als Leinenmann für den Rettungstaucher bestimmt.
Harald und Joachim bereiten sich auf ihren ersten Tauchgang vor.
Nach ca. fünfzehn Minuten war der erste Tauchgang beendet. Als nächstes kam Fidelio an die Reihe, weil er ja schon komplett angezogen war. Ich bereitete mich als Rettungstaucher vor und Michael war als Leinenmann an der Reihe. Unter den Neoprenfüßlingen hatte ich dicke Socken anbehalten. Da wir jedoch immer bis zu den Knöcheln im Wasser standen, wurden meine Zehen langsam taub obwohl ich noch gar nicht im Wasser war. Während wir warteten bis Fidelio seinen Tauchgang beendete, bekam ich eine leise Vorstellung wie es wohl dem Reinhold Mesner am Himalaya ergangen sein mußte. Ich hoffte allerdings mit allen zehn Zehen heimzufahren.
Fidelio's Tauchgang dauerte auch nur ca. 15 Minuten und dann war endlich Ich an der Reihe.
Einstieg mittels "Schritt vorwärts" klingt gut, ist jedoch auf dem rutschigen Eis gar nicht so einfach. Kaum ins Wasser geplatscht, stechen eisige Nadeln durch die Zipps des Anzuges. Joachim führt die Hauptleine die zum Loch geht. Ich bin mit einer Buddyleine an Joachim gehängt. Beim Eistauchen ist die Buddyleine mit Karabinern direkt am Taucher (Jacket) befestigt. Das Abtauchen ist nochmal ein Kälteschock im Gesicht.
Nach einer Minute ist die Kälte jedoch vergessen. Die Sicht ist traumhaft. Wegen dem Eis gibt es keine Wasserbewegung, die den Grund aufwirbelt. Außerdem gibt es auch viel weniger Taucher. Von weitem schon, kann ich die Plattformen auf fünf und zehn Metern sehen. So eine gute Sicht würde ich mir für den Neufeldersee auch einmal wünschen.
Von der zehn Meter Plattform schwimmen wir zur Leine, welche zwischen dem Grund und einer im Eis eingefrorenen Boje gespannt ist. Langsam tauchen wir an der Leine bis unters Eis auf. Nun merke ich erst, daß es doch recht mulmig ist. Ich picke unter dem Eis und kämpfe mit meinem Inflator weil ich zuviel Luft im Jacket habe. Wir tauchen wieder einige Meter tiefer und dann an der Leine entlang zum Einstieg zurück.
Ohne Sicherungsleine hat man allerdings überhaupt keine Chance. Ich sehe das Loch erst, als ich direkt darunter bin. Nun dieser erste Tauchgang war echt super. Maximale Tiefe dreizehn Meter und vierzehn Minuten Dauer.
Nachdem ich aus dem Wasser kam, mußte ich jedoch meine Zehen aufwärmen. Als letzter dieser ersten Runde war nun Michael an der Reihe. Leider war ich der Einzige in voller Montur, so daß ich nochmal den Rettungstaucher machen mußte. Zähneklappernd saß ich nun auf Volkers Kiste und wartete bis Joachim und Michael ihren Tauchgang beendeten. Das vier Grad kalte Wasser ist eigentlich ganz gut zu ertragen. Nur im Gesicht und an den Füßen ist es in den ersten Minuten eisig kalt. Der halbtrockene Anzug isoliert aber so gut, daß der Körper nicht auskühlt. Als ich jedoch dann draußen in der kalten Luft saß, ohne viel Bewegung, begann ich zu frieren. Michaels Tauchgang war recht kurz. Joachim tauchte fluchend auf und Michael machte ein betroffenes Gesicht. Folgendes war passiert: Joachim benutzte eine zweite kleine Flasche mit Argon für den Trockenanzug, weil Argon angeblich ein besserer Wärmeschutz ist. Die zweite Flasche begann abzublasen und Joachim deutete Michael das Ventil abzudrehen. Michael drehte aber das Ventil der Atemluftflasche ab. Somit bekam Joachim ein kleines Problem.
Mich interessierte nun nurmehr, wie ich mich etwas aufwärmen konnte. Im geheizten Auto bei einer Tasse Tee erwachten meine Lebensgeister wieder sehr schnell. Inzwischen waren Harald und Fidelio mit Volker unter dem Eis. Beim zweiten Tauchgang hatten nun die Schüler die Führungsleine und der Lehrer war nur der Sicherheit wegen, mit dabei. Gut aufgewärmt, freute ich mich nun auch schon wieder auf den zweiten Tauchgang. Ich hatte die Leine und Michael war mein Buddy. Das Tauchen an der langen Leine war gar nicht so einfach wie es aussah. Der Leinenmann hielt etwas zuviel Zug und ich hatte immer das Gefühl gegen eine Strömung zu tauchen. Nach einigen Minuten deutete Michael daß Ihm kalt war und wir tauchten zum Einstiegsloch zurück. Mir war noch überhaupt nicht kalt und Luft hatte ich auch noch reichlich. Michael stieg aus dem Wasser und Harald sprang nochmal hinein. Wir tauchten noch einmal eine Runde, so daß ich bei diesem Tauchgang insgesamt zwanzig Minuten Tauchzeit erreichte.
Nun hatten wir aber alle genug für diesen Tag. Wir verschlossen den Noteinstieg ordnungsgemäß, und sicherten beide Einstiege mit einem Baustellenband. Dann fuhren wir ins Hotel um uns den Bauch vollzuschlagen. Nach diesem anstrengenden Tag gingen fast alle schon sehr früh ins Bett. Michael und Ich, wir teilten ein Zimmer, blieben noch etwas länger an der Bar hängen um den guten Rotwein zu verkosten.
Sonntag 23.2.97
Am Sonntag trafen wir uns um halb neun zum Frühstück. Ein wunderschöner Tag begann. Wir hatten Sonne und blauen Himmel. In der Nacht war es so kalt, daß der Schneematsch des vorigen Tages gut gefroren war. Am See angelangt wollten wir ein neues Loch an einem besseren Tauchplatz schneiden. Joachim entschied aber daß wir nocheinmal an der alten Stelle tauchen wollen. Wir hätten aber eh keine andere Wahl gehabt, weil unsere Kettensägen nicht wollten.
Für diesen Tag waren wieder zwei Tauchgänge geplant. Ein Funtauchgang und einmal eine Rettungsübung. Da sollten wir sehen wie es ist, wenn man an der Leine unterm Eis hervorgezogen wird. Als erster gingen Michael und Harald mit Joachim ins Wasser. Michael hatte seine Unterwasserkamera dabei und wollte Fotografieren, solange der Boden noch nicht aufgewirbelt war.
Harald ist als erster bereit, ins kalte Wasser zu springen.
Haralds erste Stufe hatte Probleme mit der Kälte. Sein Lungenautomat blies Luft ab. So tauchten die Drei bald wieder auf. Sie machten dann gleich anschließend Ihren zweiten Tauchgang nachdem Haralds Atemgerät wieder OK war.
Heraußen hatte sich eine ganze Gruppe Schaulustiger angesammelt, die neugierig alles bebachteten. Das war so ein richtig feiner Tag. Wir saßen am See unter blauem Himmel, in der Sonne und führten Schmäh.
Als Nächste, waren Joachim Fidelio und ich an der Reihe. Mittlerweile war das Eistauchen fast schon zur Routine geworden. Anleinen, vorsichtiger Schritt vorwärts, Buddyleine und abwärts gings.
Begrenzt durch die dreißig Meter Leine, konnten wir natürlich nicht nach Herzenslaune herumtauchen. Wir tauchten zuerst die ganze Länge nach Westen aus. Im flacheren Wasser sahen wir auch einige Fische träge dahinschwimmen. Dann tauchten wir in weitem Bogen zurück. Da am Ufer der Leinenmann die Leine immer auf Zug hielt, konnten wir nicht sternförmig vom Loch weg und zurück tauchen. Das hatten wir nicht ausgemacht und so bedeutete die Rückkehr zum Loch auch gleichzeitig das Ende des Tauchganges.
Joachim beendete das Tauchen für diesen Tag.
Fidelio und ich hatten noch unseren zweiten Tauchgang vor uns. So blieben wir gleich im Wasser und warteten, bis Volker fertig war. Wir hatten ja schließlich noch die Rettungsübung zu machen. Volker trödelte solange, bis wir langsam zu frieren begannen, während wir im Wasser warteten. Endlich war Volker soweit und wir konnten abtauchen.
Wir tauchten nochmal zur fünf und dann zur zehn Meter Plattform. Dann weiter zur Leine der eingfrorenen Boje. Fidelio wäre beinahe um diese Leine aussen herum getaucht. Das hätte ein Problem beim Rückholen bedeutet, da wir Zurück nochmal aussen herum tauchen müßten. Wir wirbelten mit jedem Flossenschlag eine Menge Sediment auf. Es sah aus wie eine Staubfahne in der Wüste. Nachdem wir an der Boje vorbei waren, gab Fidelio das Notzeichen. Wie mit einem Scooter flitzten wir unter dem Eis dahin, so schnell holte Joachim die Leine ein.
Mit dieser kann man aber nur bis 3 Meter Tiefe fotografieren, dann blockiert der Verschluß.
Von Unten schaut's auch nicht anders aus. Das Wasser ist ein dunkler Fleck.
Das wars also:
Flott räumten wir noch alles weg, genehmigten uns einen Abschiedsdrunk und fuhren dann nochmal zurück in die Pension zu einem verspäteten Mittagessen.
Zwar nicht so sensationell wie erwartet, aber so gut, daß eine Wiederholung schon angebracht ist.
Zur Erinnerung (und Beweis) gabs eine Urkunde und ein Prevet.
Alle Fotos wurden mit der bereits erwähnten Wegwerf Kamera gemacht.
Vielen Dank an Joachim dem Tauchprofi.