Floh an Bord 1.6.1996 bis 5.6.1996
5.6.1996 Susak - Rovinj
Ich wache um ca. halb sechs Uhr auf und blicke aus dem Kojenfenster um nur Kaimauer zu sehen. Die Ebbe hat voll zugeschlagen, und um auf den Steg zu kommen muß man etwa einen Meter Höhendifferenz überwinden. Ein Blick auf den Windmesser zeigt 26 Knoten aus NNO, für uns eine sehr gute Richtung um den letzten Tag doch noch segeln zu können.
In der Nacht hat es geregnet und da ich die Luke über dem Kartentisch zu schließen vergass steht das Notebook im Wasser. Die Tastatur dürfte Wassereinbrüche nicht vertragen. Charly zeigt sich auch an Bord und wir beobachten die Crew des vor uns in der Hafeneinfahrt liegenden Seglers, einer ELAN 43 mit 8 Frau/Mann Besatzung. Ihre Absicht um 6 Uhr abzulegen scheiterte an etwas zuviel Tiefgang und dem Umstand daß sich der Kiel im laufe der Nacht eingegraben hat.
Für uns bedeutete das leider entweder abzuwarten oder in das Innere des Hafens zu fahren, zu wenden und dann mit viel Fahrt durch die enge Hafeneinfahrt zu brausen. Ich warte noch die Fähre nach Mali Losinj ab. Dann schliesse ich die Augen um mir das Manöver geistig durchzuspielen. Nach einer kurzen Besprechung mit Charly starten wir die Maschine nicht ohne zuvor einen Blick in Floh´s Kabine gemacht zu haben. Floh schläft in voller Montur, die Stiefeln hat sie allerdings doch ausgezogen. Da das Ablegemanöver sehr schnell vor sich gehen muß wirft Charly die Leinen von der Kaimauer aus aufs Boot, um dann mit einem Sprung aufs Boot zu kommen. Unter Ausnutzung des Schraubeneffekts gelingt es mir das Boot zwischen Ankerketten und kleinen Fischkuttern zu wenden um den Hafen zu verlassen. Die festsitzende Mannschaft der ELAN blickt uns etwas wehmütig nach.
Kaum um die Hafenmole herum empfängt uns Wind und Welle. Charly und ich haben uns die Lifebelts angelegt, ein Mann über Bord Manöver mit einem schlafenden Floh konnte ich mir nicht vorstellen. Eine Seemeile nach der Ausfahrt stellen wir das Boot noch immer unter Motor in den Wind. Der Autopilot sorgt für den dritten Mann an Bord. Zuerst setzen wir das Groß, das Setzen der Rollfock ist dagegen ein Kinderspiel. Das Boot angeluft und die Maschine aus und los gehts mit 7-9 Knoten. Charly ist in seinem Element und übernimmt das Steuer.
Ich gehe unter Deck um herumfliegende Dinge, der Kurzwellenempfänger schwebt am Antennenkabel mitten im Salon, zu sichern. Plötzlich bekomme ich eine Ladung Salzwasser ins Gesicht. Wir haben im Trubel vergessen die Bugluken auch in den vorderen Kojen zu schließen. Ich öffne Floh´s Koje. Jetzt liegt sie mit dem Kopf zum Bug und angewinkelten Füßen im Bett. Dort wo sie vorher lag ist das Bettzeug mit Salzwasser getränkt. Der Wind legt noch zu und wir binden ein Reff ein. Dabei geht eine Winschkurbel über Bord. Querab von Unije setzen wir wieder Vollzeug. Als wir in den offenen Kvarner kommen werden die Wellen höher und nachdem wir noch die Luken und die Sülleiste auf der Leeseite gewaschen haben müssen wir wieder reffen.
Plötzlich erscheint Floh an Deck. Etwas zerknittert bringt sie das Wort "Irre" heraus, probiert es noch mit einer Zigarrette um wieder in Ihrer Kabine zu verschwinden. In 3 Stunden sind wir auf Höhe Medulin und durch die Abdeckung beruhigt sich die Welle etwas, was zu Folge hat, daß wir noch zulegen. Nach Brioni wird der Wind schwächer und wir beschliessen den Spinaker zu setzen. Irgendetwas dürften wir allerdings übersehen haben, denn das Spifall hat sich um das Vorsegel gelegt. Noch einmal herunter und auf ein Neues. Als wir den Spinaker endlich richtig oben haben hat der Wind genau um 180 Grad gedreht.
Denn Rest des Weges müssen wir mit dem Motor zurücklegen dessen Geräusch Floh aus der Kabine trieb. Ich hatte es so eingerichtet, daß wir noch Zeit hatten um in der Bucht östlich der Marina zu Ankern und zu baden.
Nach dem Einlaufen gehen wir in "Skippers Bar" um den Anlegerschluck zu uns zu nehmen. Dann packen Floh und Charly ihre Sachen um der nächsten Crew Platz zu machen.
Nach neun Uhr kommen Margit, Babsy, Bentschi, ein kleiner bellender Staubwedel und Philipp an. Nach dem Einräumen gehen wir alle ins Marina-Restaurant auf die Terrasse wo wir unser Schiff aus der Vogelperspektive sehen. Später sitzen wir noch im Cockpit zusammen.
Über Floh gibt es eigentlich nicht allzuviel zu berichten da sie heute wieder ihren "2ten Tag" hat. Charly schläft die letzte Nacht im Salon weil wir die Kojen schon für die neue Crew hergerichtet haben.
Ich liege in meinem Bett und lasse die letzten Tage noch einmal an mir vorüber gehen.
Da ich ein Schiff meist für mehrere Wochen chartere, kommt es öfter zu einem Crewwechsel. Am letzten Tag vor dem Wechsel beginne ich mich in Gedanken auf die neue Crew einzustimmen. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Ich freue mich auf die neue Besatzung, was nicht heißen soll daß die gegenwärtige nicht in Ordnung war, oder ich bin etwas traurig weil ich am nächsten Tag Abschied nehmen muß, ohne daß ich die neue Crew nicht auch mag. Diesmal war ich mir sicher, daß der zweite Fall eintreten würde.